Die Curlerinnen vom Team Tirinzoni sind neue Aargauer Sportlerinnen des Jahres

Die Welt- und Europameisterinnen sind nun auch Aargauer Sportlerinnen des Jahres. In Wettingen wurden sie vom abtretenden Regierungsrat Alex Hürzeler für ein überragendes Jahr 2023 geehrt.

Eigentlich wären sie ja zu viert. Doch weil Alina Pätz, Carole Howald und Selina Witschonke an den Schweizer Mixed-Meisterschaften im Einsatz waren, stand Silvana Tirinzoni am Freitag ohne ihre Teamkolleginnen auf der Bühne und nahm als Skip des Curling Club Aarau den Preis für die Aargauer Sportlerinnen des Jahres 2023 von Regierungsrat Alex Hürzeler entgegen.

Silvana Tirinzoni, Skip des Curling Club Aarau, posiert mit Regierungsrat Alex Hürzeler, der ihr kurz zuvor den Preis als Aargauer Sportlerinnen des Jahres überreichte.

Silvana Tirinzoni, die mit ihrem Team schon zum sechsten Mal für die Wahl nominiert war, sagte: «Wir dachten uns, wir werden einfach so lange Weltmeisterinnen, bis wir diesen Titel auch noch gewinnen. Ich hoffe, das war jetzt nicht zu früh, da ja schon bald wieder Weltmeisterschaften sind.»

Hürzeler, der im Herbst nicht mehr zur Wiederwahl antritt, verabschiedete sich an seiner 15. und letzten Sportgala mit einem Versprechen: «Sollte es im Sommer an den Olympischen oder Paralympischen Spielen eine Aargauer Medaille geben, laufe ich von Paris nach Hause.» Das Team Tirinzoni kann, weil es sich um Sommerspiele handelt, zwar nicht mithelfen, dass die über 500 km lange Wanderung zustande kommt. Die Daumen werden die Aargauer Sportlerinnen des Jahres aber drücken.

An der Wahl, die zu 60 Prozent vom Publikum und zu 40 Prozent durch ein Expertengremium entschieden wird, setzte sich das Team Tirinzoni vor der Schützin Chiara Leone und der Karatekämpferin Elena Quirici durch. Auffallend ist, dass vor allem Leone ihr Umfeld für die Wahl begeistern konnte. Vom Publikum hat die 25-Jährige die meisten Stimmen erhalten.

Aargauer Sportgala

Die Stimmverteilung

1. Team Tirinzoni 23.3%
2. Chiara Leone 19.6%
3. Elena Quirici 16,6%
4. Matthias Kyburz und Nils Stump 15.2%
6. Michelle Heimberg 10.1%

Der Titel für das Team Tirinzoni ist allerdings der verdiente Lohn für ein überragendes Jahr 2023. Ein Jahr, das schon fast unheimlich gut war. Im März wurden die Aarauerinnen zum vierten Mal (!) Weltmeisterinnen. 36 WM-Partien in Folge haben sie turnierübergreifend gewonnen. Es ist eine Serie, die im Curling ihresgleichen sucht. Und als Sahnehäubchen gelang im November auch noch der erste EM-Titel in der Geschichte der Equipe.

Und ja, bevor es vergessen geht: Die Weltnummer eins war das Team des CC Aarau Ende Jahr ebenfalls. Was denn sonst, ist man geneigt zu sagen. Und das alles, obwohl es im Team vor der Saison zu einem Umbruch kam. Nach dem dritten Weltmeistertitel im März 2022 beendeten Esther Neuenschwander und Melanie Barbezat ihre Karrieren. Ersetzt wurden sie durch Carole Howald und Briar Schwaller-Hürlimann, die Tochter von Patrick Hürlimann, der 1998 in Nagano Olympiasieger im Curling wurde.

Silvana Tirinzoni zeigt es an: Zum vierten Mal in Serie gewann sie den Weltmeistertitel im Curling.

Das zu 50 Prozent erneuerte Quartett harmonierte gut, so liess es zumindest der vierte WM-Titel in Serie vermuten. Doch der Eindruck täuschte. Vor dem letzten Turnier der Saison trennte sich das Team von Schwaller-Hürlimann und ersetzte sie durch Selina Witschonke. Für den Boulevard war das ein gefundenes Fressen: Vom «Curling-Eklat» wurde geschrieben. Und von einer «feindlichen Übernahme». Recherchen der Aargauer Zeitung zeigten, dass die Gründe für die Trennung vielschichtiger waren. Und dass dabei nachvollziehbare Überlegungen eine Rolle spielten.

Der Olympiasieg als grosses Ziel

Alina Pätz sagte später gegenüber SRF: «Für uns war es kein so grosses Theater, wie von den Medien dargestellt. Wir waren zwar sehr erfolgreich, aber es gab zwei, drei Sachen, in denen das Team nicht sehr harmonisch war. Für uns war es der richtige Entscheid, diesen haben wir zu keinem Zeitpunkt bereut.» Worauf Silvana Tirinzoni ergänzte: «Wir hatten das Gefühl, dass die aktuelle Zusammensetzung erfolgversprechender ist.»

Die aktuelle Besetzung des Curling Club Aarau: Alina Pätz, Silvana Tirinzoni, Carole Howald und Selina Witschonke (von links).

Ein letzter Titel fehlt dem Curling Club Aarau noch: der Olympiasieg. 2022 in Peking konnten Tirinzoni und Co. zwar alle Vorrundenspiele gewinnen, verloren dann aber den Halbfinal und in der Folge das Spiel um Bronze. Ihren Zielen ordnen die Aarauerinnen alles unter. Rund 30 Stunden pro Woche werden ins Training investiert, wovon nur zehn Stunden effektiv auf dem Eis stattfinden. Daneben geht es auch um Kraft und Ausdauer.

Carole Howald sagte im Interview mit der AZ: «Ein normales Turnier zieht sich über vier Tage, wobei jeden Tag mindestens zwei Partien auf dem Programm stehen, teilweise sogar drei. Eine Begegnung dauert zwei bis zweieinhalb Stunden. Im Extremfall sind das dann also mehr als sieben Stunden Curling auf höchstem Niveau an einem Tag – dafür braucht es definitiv eine gute körperliche Fitness und mentale Stärke.»

Eine Saison kostet rund 160’000 Franken

Während der Saison, die von August bis April dauert, sind die Athletinnen rund 120 Tage im Ausland unterwegs und bestreiten 14 Turniere. Viele davon in Kanada. Wichtig sind vor allem die Grand Slams, weil es dort die meisten Punkte für die Weltrangliste und auch am meisten Preisgeld zu gewinnen gibt. Denn davon bezahlen sich die Spielerinnen ihren Lohn.

Eine Saison kostet den CC Aarau rund 160’000 Franken, darin enthalten sind allerdings keine Löhne. Rund zehn Prozent der Kosten übernimmt der Verband, den Rest müssen die Spielerinnen selbst aufbringen. Vor allem durch Sponsoren. Und eben durch Preisgelder. 35’000 Dollar gewinnt das Siegerteam an einen Grand Slam. Für den WM-Titel erhielten die Aarauerinnen dank Prämien 16’000 Franken, für den EM-Titel die Hälfte.

Die Erfolge des Curling Club Aarau beruhen auf einem Zusammenschluss im Jahr 2018. Zuvor duellierten sich Silvana Tirinzoni und Alina Pätz als Rivalinnen und nahmen sich gegenseitig die Titel weg. Doch nach einem enttäuschenden Olympiaauftritt von Tirinzoni und der Auflösung ihres Teams kam es zum Kontakt mit Pätz, die auf der Suche nach Verstärkung war und die Initiative für eine Zusammenarbeit mit Tirinzoni ergriff.

Alina Pätz übernimmt als letzte Spielerin die Verantwortung.

Nur fünf Minuten habe das Gespräch gedauert, erzählte Tirinzoni einst im Tages-Anzeiger, bis man sich einig war, zusammenzuspannen. Und vor allem fanden die beiden Leaderinnen einen Weg, wie sie zusammen funktionieren könnten. Tirinzoni spielt als Skip nicht wie üblich die letzte Position, sondern an dritter Stelle. Das ermöglicht der 44-Jährigen, ihre taktischen Stärken besser einzubringen. Pätz, die technisch beste Curlerin der Gegenwart, setzt diese dann als Schlussspielerin um. Was den positiven Nebeneffekt hat, dass Tirinzoni, die in den entscheidenden Momenten manchmal von Nervosität geplagt wird, dadurch etwas entlastet wird.

Die Kombination funktioniert perfekt. Tirinzoni und Pätz dominieren seither mit wechselnden Teamkolleginnen das internationale Curling. 2026 finden in Italien die nächsten Winterspiele statt. Der Olympiasieg ist der letzte noch ver­bliebene Punkt auf der sportlichen Bucket List des Duos.

Bericht der AZ vom 1.3.2024